Sonntag, 4. April 2021

Auslastung VS Schlaf

Nebst Kommunikationsproblemen zwischen Tier und Mensch und chronischen Erkrankungen von Tieren (und Menschen) gehört das Thema rund um Bedürfnisse erkennen und abdecken, zu den Top Alltagsthemen in meiner Praxis. Sehr oft decken sich die Bedürfnisse des Tieres nicht mit den der Menschen. Katzen können dies ganz gut kompensieren. Bei Hunden geht das weniger, deswegen gehe ich folgend v.a. auf den Auslastungs- und Ausruhebedarf des Hundes ein.

Meiner Erfahrung nach trifft es v.a. Arbeitshunde die entweder total unterfordert oder total überfordert werden. Wobei die Tendez bei Ersthundehaltern eher zum Zweiten schwankt.
Vielleicht liegt es an den Rassevorurteilen, vielleicht an den Vorurteilen mancher Hundetrainierinnen über die Neuhundehalterinnen, vielleicht weil die Ersthundebesitzer alles richtig machen wollen oder ein wenig von all den Eventuallitäten. Über Rassevorurteile, Dogmen und Bedürfnisse habe ich bereits im Februar geschrieben. Heute also mehr über den Schlaf.

Jap, der total unterbewertete Schlaf! Selbst während des Lockdowns war das Thema vom überreizten Hund omnipräsent in den Video-Chat-Beratungen meiner Praxis. Hundehalterinn möchte nichts verpassen in den Wochen der Prägungszeit und so wird statt, maximal jeden 2. Tag ein grosses Ereigniss zu lernen, Welpe täglich vielen neuen Dingen ausgesetzt. Viele Dinge werden nicht einmal als eine Herausvorderung für den Welpen oder frisch angekommenen Tierschutzhund der noch einen Kulturschock hat, erkannt. Ein paar Herausforderungen die als Selbstverständlichkeiten missverstanden werden, denen ich begegne möchte ich nun aufzählen: Auto fahren, alleine in der Box, spielen mit Menschen(Besucher/Familie ausser die 1-2 Hauptbezugspersonen generell) und anderen Hunden, Spaziergänge, Hundeschule, mit zur Arbeit, allein sein (üben) und last but not least sämmtliche Geräusche und Gerüche.
Jedes Mal wenn Welpe eines dieser Selbstverständlichkeiten erlebt, gehört dannach eine Ruhephase und diese Phase kann je nach Hund ein paar Stunden bis zu einem Tag andauern. Um so mehr dieser Dinge aneinander passieren oder am selben Tag, um so länger die Erholungs- und Verarbeitungsphase. Um so aufgedrehter Hund ist nach oder zwischen herausforderner und/oder neuen Sitationen um so wichtiger die Ruhephase! Genau hier passiert in der Praxis oft der Fehler!
Bei aufgedrehten Welpen, Junghunden oder frisch dazugekommenen Hunden wird dieses nervöse, unruhige manchmal auch unsichere Verhalten als Unterforderung gedeutet. Es sieht ja auch ähnlich aus. Innerhalb meiner ausführlichen Amnanese, stelle ich folgende zwei Fragen, wenn ich Unterforderung bereits ausschliessen kann: 1. Wie viel schläft der Hund? 2. Kann Hund von selbst runter fahren?

Um sich in das Tier einzufühlen ein Beispiel:
Ich liebe es unter Menschen zu sein, zu reden, lachen und zusammen unterwegs zu sein. Doch nach einem Tag mit vielen Gesprächen und Interaktionen bin ich wenn ich Zuhause ankomme entweder total müde und falle sofort ins Bett oder ich bin total aufgedreht und komme lange nicht zur Ruhe. Beides sind Zeichen von Überreizung bzw. Eine Form der Überforderung. Als Mensch kann ich dies selbst dosieren und auch lernen mir für mich Zeit zu nehmen. Hund nur bedingt- wegen uns. Zurück zum Beispiel, wenn ich nicht runter fahren kann. Wer hat das selbst nich auch schon erlebt? Tooootal k.o. so müde, dass runter fahren nicht mehr gehen will und man sich in sein kindliches quängelndes, aufgedrehtes Ich verwandelt. Genau dies wird sehr oft beim Hund als Unterforderung missverstanden und dann wird Hund noch mehr in solche Situationen geführt und die Teufelsspirale ist perfekt manifestiert.
Wie in meinem Beispiel gezeigt, es können tolle Erlebnisse sein und trotzdem sind alle Erlebnisse Eindrücke und jeder Eindruck will verarbeitet werden. Wie wir Menschen, verarbeitet auch der Hund seine Erlebnisse im Schlaf. Dazu kommt noch um so aufmerksamer Hund ist um so mehr Eindrücke hat Hund zu verdauen. Appropo Verdauung. Sehr oft stellen Besitzer mit reizüberforderten Hunden mir ihr Problem mit dem Hund so dar: Verdauungsstörungen, Blähungen, Mager, Nervös, ungeduldig und nie müde. Das war Punkt 2 nun zu Punkt 1: Schlafdauer.

Verschiedene Studien über das Schlafverhalten des Hundes haben gezeigt, dass Hunde in wenigen Sekunden in den Schlaf fallen. Sehr oft hört man den Mythos, Hunde würden immer Dösen. Dies stimmt so nicht ganz, denn Hund wechselt immer wieder zwischen Tiefschlaf- und Dösphasen!

Durch diese Wechsel können Hunde auch innert Sekunden aus dem Tiefschlaf gerissen werden, wenn etwas unerwartetes passiert. Durch die enorme Aufmerksamkeit und Beobachtungsgabe des Hundes und wegen den Wechselnden Schlafphasen, benötigt Hund 17 bis 20 Stunden Schlaf und Ruhephasen am Tag wenn er adult ist. Bei Welpen und Senioren sprechen die wissenschaftlichen Beobachtungen von 20 bis 22 Stunden. Auch kranke Hunde benötigen mehr Schlaf (auch um die 22h), v.a. chronisch kranke Tiere.

Innerhalb dieser genannten Studien wurden auch Experimente gemacht. Es wurde heraus gefunden, was viele Hundehalter, Hundetherapeuten und auch ich seit Jahren beobachten konnten/mussten: Schlafentzug wirkt sich negativer auf die körperliche, geistige und mentale Gesundheit des Tieres aus, als die Ernährung! Wer weiss, wie wichtig (mir) die Ernährung ist, kann nachvollziehen, wie stark diese Aussage ist. Ebenso weiss Heilpraktiker (ob Tier oder Mensch) auch, dass Cortisol (bekannt als das Stresshormon) mehrere Tage benötigt um abgebaut zu werden. Was wiederrum zeigt, weshalb regelmässige Ruhephasen elementar sind.

Durch ein Experiment konnten 5 Phasen des Schlafentzugs definiert werden.
Phase 1 wird definiert durch die Überdrehung der Hunde. In Phase 2 sind die Hunde unkonzentriert und teilweise schwer anzusprechen. Also z.B. ein Befehl muss x Mal wiederholt werden. Phase 3 zeigt sich dürch nervöse und schnell reizbare Hunde.
Laut meiner Erfahrung können Hunde die Phasen 1-3 durchleben ohne an ständigem Schlafmangel zu leiden. Diese Phasen können bei Hunden die genügend Schlaf und Ruhe bekommen nach einem anstrengenden Tag ebenso kommen und erledigen sich sobald Hund ausschlafen konnte. 
Sind die ereignisreichen Einheiten jedoch öfters als die Schlafphasen bzw. Die Ruhe- und Schlafphasen des Hundes zu gering, kommen wir in den gefährlichen Bereich. Bereits in Phase 4 sind die Hunde kränklich und aggressiv und in Phase 5 bekommen Hunde schwere und chronische Erkrankungen.
Übrigens wie beim Menschen, ist ein sehr langer Schlafentzug auch bei Hunden tödlich.

Mehr ist also weniger?
Nein, Mässigung ist das Zauberwort. Das richtige Mass von Aufregung, Alltag, Ritualen und viel, viel Schlaf und Ruhephasen.
Meine Tierbesitzer die Hunde haben mit dieser Thematik, bekommen nebst der Hausaufgabe, dass Hund mind. 20 Stunden schlafen soll. Die Aufgabe, sämtliche Alltagsrituale zu hinterfragen ob sie Ruhe oder Aufregung bringen. Aufregung ist immer Stress egal ob positiv oder negativ. Nur die Rituale die Ruhe bringen, werden übernommen, alle anderen pausiert oder ganz gestrichen.

Manche Hunde brauchen einen schönen, gemütlichen, kleinen und engen Rückzugsort. Ihre Hundehöhle. Andere entspannen am Besten an der Leine, neben ihren Menschen und manche Hunde müssen auch mal kurz zur Ruhe gezwungen (so wie es Rudelmitglieder machen/ machen würden) werden, damit sie herunter fahren können.  

Erholsame Ostertage

Das war dann Heute mein Wort zum Sonntag.


Schönen Start in die kommende Woche euch allen.

Jean de Carvalho


Dashka in ihrer Höhle



Rudelschlafen inkl. Kontaktliegen

Instagrambild von Bijou und Nika beim chillen. Folgt mir auf Insta: @jean.de.carvalho 


Bijou an ihrem Lieblingsplatz

Das richtige Mass ist entscheidend



Bijou

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